18.06.2025
PM: Pflegeheimsterben – Es ist 5 nach 12: Pflege droht der Kollaps – Pflegebündnis Mittelbaden fordert Pflegekompetenzgesetz und sofortiges politisches Handeln

Die Schließung des Altbaubereiches mit 48 Plätzen des Erich-Burger-Heims in Bühl und des St. Hildegard-Heims in Seelbach Ende des Jahres ist ein Alarmzeichen. Zwei tragende Säulen der pflegerischen Versorgung in der Region verschwinden – und mit ihnen das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit unserer Gesundheits- und Sozialpolitik. Für die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner stellt dies eine Katastrophe dar. Für die Pflegekräfte bleibt nur Resignation.
„Pflege stirbt nicht mit einem lauten Knall – sie stirbt leise, Stück für Stück. Wenn wir jetzt nicht handeln, stirbt sie endgültig“, warnt Peter Koch, Vorsitzender des Pflegebündnisses Mittelbaden.
Die Ursachen: hausgemacht und lange bekannt
• Fachkräftemangel: systematisch ignoriert und politisch unzureichend adressiert.
• Investitionsstau: Jahrzehntelange Unterfinanzierung – auf dem Rücken der Träger.
• Regulatorischer Druck: Landesheimbauverordnung mit realitätsfernen Vorgaben, ohne flächendeckende Förderung.
• Politische Sprachlosigkeit: Die Pflegeprofession selbst ist nicht ausreichend an der Gesetzgebung beteiligt, obwohl sie die Folgen täglich trägt.
„Wir erleben ein strukturelles Wegsehen – alle reden über Pflege, aber niemand redet mit der Pflege“, kritisiert Ralf Pinkinelli, stellvertretender Vorsitzender des Bündnisses.
„Wie sollen tragfähige Lösungen entstehen, wenn diejenigen, die täglich an der Basis arbeiten, kein Mitspracherecht haben?“
Unsere Forderungen – Pflege braucht Struktur, Macht und Stimme
Das Pflegebündnis Mittelbaden fordert die Bundes- und Landespolitik zum sofortigen Handeln auf:
1. Das Pflegekompetenzgesetz schnellstmöglich und wirksam umsetzen:
„Pflege braucht eine eigene Stimme mit Entscheidungskompetenz – kein weiteres beratendes Feigenblatt“, fordert Peter Koch.
Die Pflegeprofession benötigt gesetzlich verankerte Gestaltungsmöglichkeiten – z. B. in Form der eigenständigen Heilkundeausübung, bei Ausbildungsfragen, Versorgungskonzepten, Personalstandards und Investitionsstrategien.
2. Pflege als Daseinsvorsorge definieren – nicht als betriebswirtschaftliches Randthema.
3. Investitionsoffensive für Bestandseinrichtungen, die ihre baulichen Standards modernisieren müssen.
4. Stopp der realitätsfernen Überregulierung – ein Moratorium für Schließungen nach Landesheimbauverordnung, solange Ersatzstrukturen fehlen.
5. Nationales Maßnahmenpaket zur Fachkräftesicherung, Attraktivitätssteigerung des Berufsfeldes und wirksame Erleichterung der Fachkräftezuwanderung.
6. Die für die Träger notwendige Anerkennung der Lohnsteigerungen bei den Vergütungsverhandlungen. Ohne eine auskömmliche Gegenfinanzierung aktueller Tarife bleibt jede Lohnerhöhung ein theoretisches Konstrukt. Träger dürfen nicht in wirtschaftliche Not geraten, weil faire Bezahlung politisch beschlossen, aber nicht refinanziert wird.
7. Pflegekammern dürfen nicht ad acta gelegt werden– sie sind ein elementares Instrument, um die Qualität pflegerischer Versorgung zu sichern. Ihre Etablierung und Stärkung gehören in den Verantwortungsbereich der Politik. Eine selbstbestimmte, strukturierte Pflegeprofession braucht eine demokratisch legitimierte Vertretung – mit klarer Zuständigkeit und öffentlichem Mandat.
„Der Fachkräftemangel ist keine neue Erkenntnis. Doch statt Lösungen zu schaffen, hat man tatenlos zugesehen“,
so Ralf Pinkinelli.
„Wir brauchen jetzt ein entschlossenes, bundesweites Maßnahmenpaket – nicht noch ein weiteres Gutachten.“
Pflege braucht Haltung – keine weiteren Sonntagsreden
Es reicht nicht mehr, Missstände zu benennen. Pflegeeinrichtungen schließen nicht wegen Desinteresse – sie schließen, weil sie unter einem System zusammenbrechen, das Verantwortung abwälzt, ohne Lösungen zu liefern.
„Pflege ist das Rückgrat unserer alternden Gesellschaft“, sagt Peter Koch, „doch solange wir Pflege nur als Kostenfaktor sehen, bleibt sie strukturell unterversorgt.“
Pflege braucht endlich den rechtlichen, politischen und finanziellen Rückhalt, den andere systemrelevante Bereiche längst genießen.
„Entgegen aller Beteuerungen und Versprechen, ist die Entlohnung von professionell Pflegenden immer noch nicht angemessen. Sie reicht nicht aus, um einen Sog in den Beruf auszulösen, der dringend notwendig wäre, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und Dienstpläne nachhaltig zu stabilisieren! Die Verantwortung und der Arbeitsdruck werden gemeinhin immer noch unterschätzt. Gerade auch für die Begleitung von dringend benötigten professionell Pflegenden mit Migrationshintergrund werden Ressourcen benötigt, die im eng getakteten Alltag schon lange nicht mehr zur Verfügung stehen,“ sagt Marcus Jogerst-Ratzka, Bundesvorsitzender der Pflegegewerkschaft Bochumer Bund, der ebenfalls Mitglied im Pflegebündnis Mittelbaden ist. „Es ist nicht hinnehmbar, dass während die pflegerischen Bedarfe der Bevölkerung jeden Tag steigen, auf der anderen Seite die Angebote sich immer weiter ausdünnen, weil Plätze aus Personalmangel nicht belegt werden können oder wie hier aktuell ganz einfach geschlossen werden“, führt er weiter aus.
Abschließend bekräftigt Ralf Pinkinelli: „Wir stehen an der Seite aller Pflegekräfte, die Tag für Tag unter schwierigen Bedingungen Großes leisten – und fordern die politischen Entscheidungträger nachdrücklich auf: Gebt der Pflegeprofession endlich Macht, Mittel und Mitsprache!“